„Der Welt größtes Power Purchase Agreement bezogen auf Wind“ verkündete schon Ende 2017 der Windturbinenbauer GE als Projektentwickler des mit einem Netzanschluss bis 2019 konzipierten schwedischen 650-Megawatt-Windparks Markbygden. Gerade hatte der Hersteller der für Markbygden vorgesehenen 179 Windturbinen mit dem Aluminiumhersteller Norsk Hydro schriftlich vereinbart, den Strom aus dem schwedischen Windfeld zu einem vereinbarten Preis 19 Jahre lang zu liefern beziehungsweise abzunehmen. Ende April legte GE zusammen mit Energieversorger Engie nach: Der erste langfristige Stromkaufvertrag für einen noch im Bau befindlichen neuen Windpark in Spanien sei unterzeichnet. Der 300 Megawatt (MW) starke Windpark Goya in der Provinz Zaragoza werde zwölf Jahre lang „einen Großteil der von dem künftigen Wind-Komplex erzeugten Elektrizität“ an Engie liefern. Und am 18. Mai schnalzte der Bremer Windparkprojektierer Energiekontor sprichwörtlich mit den Fingern: Er werde den ersten Windpark Großbritanniens ohne staatlich gesicherte Vergütung bauen, nachdem ein langfristiger Stromabnahmevertrag für das Vier-Turbinen-Projekt abgeschlossen worden sei. Abnehmer des Stroms aus dem Windfeld Withernwick in der Grafschaft Yorkshire sei ein internationaler Konsumgüterkonzern.
Wenn Investoren und Projektierer neuer Windparks derzeit langfristige Stromlieferverträge mit internationalen Großkonzernen ankündigen, geht es noch um den Anspruch der oder die Erste zu sein. Die im internationalen Branchensprech der Windkraft so genannten Power Purchase Agreements (PPA) sind eine zunehmend attraktivere Vermarktungsform. Insbesondere auch in Europa fahren viele Länder ihre bisher staatlich garantierten Einspeisevergütungen drastisch herunter oder streichen sie ganz. Wer da schon ein gutes PPA abschließen kann, zeigt sich Investoren und Anlegern als gut aufgestellt im forcierten Wettbewerb der Windkraft.
Auch in Deutschland elektrisieren die PPA die Branche regelrecht. Solange nämlich die für Windparks an Land eingeführten Ausschreibungen die durchs Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abgesicherten kWh-Vergütungen im Einführungsjahr 2017 preislich immer weiter abstürzen ließ, hielt die Branche nach neuen Vermarktungschancen dringend Ausschau. Ende 2017 häuften sich die positiven Prognosen: „Wir stehen vor einem Durchbruch bei direkten Stromabnahmeverträgen mit Unternehmen“, ließ sich im Dezember Uli Südhoff im Handelsblatt zitieren. Der Direktor für Entwicklungen neuer Geschäftsmodelle bei der Grünstromsparte des amerikanischen Mischkonzerns GE betonte, dass PPA bald „massiv zunehmen“ werde. „In zwei bis drei Jahren werden wir nicht mehr über Erneuerbare-Energien-Gesetz und Fördergelder sprechen, sondern vielfach nur noch über Stromlieferverträge“, betonte auch der Analyst Arash Roshan Zamir bei Warburg Research im selben Handelsblatt-Artikel.
Im Januar gab schließlich Energiemarktanalyse-Dienstleister Energy Brainpool eine Studie mit der Prognose heraus, in den drei Jahren bis Ende 2020 werde eine Markterprobung für PPA stattfinden.
PPA sind ein außerhalb Europas wie beispielsweise in den USA vielfach eingesetztes Vermarktungsinstrument der Windstromerzeuger: In langfristigen Stromabnahmeverträgen verkaufen sie dort die Erzeugung ganzer Turbinenwälder für Zeiträume von oft 10 bis 20 Jahren vertraglich abgesichert an große unternehmerische Stromverbraucher. PPA sehen eine langfristige Abnahme des Windstroms zu einem vereinbarten Festpreis vor. PPA-Kunden wollen sich damit gegen übermäßig steigende Strompreise in der Zukunft absichern. Die Windparkbetreiber hingegen sichern sich langfristig stabile Einnahmen.
In Europa hat sich PPA zuletzt in Ländern durchgesetzt, wo die Politik staatliche Vergütungsgarantien weitgehend oder ganz strich. Oder wo Unternehmen gesetzlich vorgeschriebene Grünstromquoten in ihrer Elektrizitätsversorgung nachweisen müssen. Beispiele hierfür sind Großbritannien, Irland, Skandinavien, Niederlande oder Spanien.
In Deutschland kämen erste PPA wohl erst mit einem Aufschlag auf den aktuellen Marktwert des Windstroms zustande. Denn hierzulande ist der Windstrom-Marktwert nicht zuletzt aufgrund einer bundesweit immer mehr zunehmenden Strom-Überproduktion bei Werten von unter drei Cent pro Kilowattstunde unrentabel tief. Energy Brainpool beispielsweise hat aber eine Faustregel aufgestellt: Einen fairen Preis würden Vertragspartner der ersten deutschen PPA finden, wenn sie je eine Kurve der niedrigsten und der höchsten Terminmarktabschlüsse für Strom zeichneten – und diese noch mit Prognosewerten für größere Zeiträume verlängerten. Dann müssten sie einen Wert zwischen beiden Kurven bestimmen, so dass beide Vertragsseiten sich einen Vorteil versprechen können.
Welche Bedeutung PPA für die Windkraft künftig haben kann, zeichnet auch das Münchner Unternehmen Baywa RE mit einem Solarfeld in Spanien vor. In Andalusien starteten die Bayern mit dem Bau einer Photovoltaik-Freiflächenanlage mit 170 MW. Sie legten unmittelbar mit dem Bau los, nachdem sie mit dem Stromhändler Statkraft einen 15-Jahres-Vertrag abgeschlossen hatten. Das PPA setze mit dieser Dauer neue Maßstäbe im europäischen Vertragsgeschäft für Stromlieferungen deutet Daniel Hölder, Geschäftsführer der Stromhandelstochter von Baywa RE, Clean Energy Sourcing, an.
Stromhändler seien grundsätzlich auch an langfristigen Abnahmeverträgen interessiert, um die Versorgung einer wachsenden Nachfrage nach grüner Energie abzusichern. Für die demnächst aus der EEG-Förderung ausscheidenden Altwindparks mit Betriebslaufzeiten von mehr als 20 Jahren kann sich Hölder Stromlieferverträge von fünf Jahren mit fixen Preisen vorstellen. Sogar für neue Windparks sieht der Stromhandelsexperte in PPAs prinzipiell Chancen. Das EEG mit der Marktprämie sei nämlich ein „enges Korsett“, das exakt vorschreibe, wie der Strom zu vermarkten sei. Auch die Belieferung von Stromkunden mit ausgewiesenem grünem Strom sei mit dem Marktprämienmodell nicht möglich. Sobald Anlagen über PPA, also ohne Förderung, könnten die Stromerzeuger neue Grünstrom-Produkte schaffen, die sich an Kunden vermarkten ließen.
Der Baywa-RE-Partner Statkraft hat sein europaweites Portfolio von 15.000 MW in Vertrag genommener Erneuerbare-Energien-Anlagen teils mit PPA abgesichert. In Deutschland allerdings stützt sich der Direktvermarkter auf Anlagen, die nicht EEG gefördert sind, etwa Laufwasserkraftwerke. Ansonsten schnürte Statkraft schon PPA zu Photovoltaik oder Windkraft in Großbritannien, Norwegen, Spanien, Niederlande, Polen und Türkei. In Deutschland will sich der Direkt-Großvermarkter bald als flexibler Partner für die Altwindparkbetreiber anbieten. Statkraft werde je nach deren Wunsch den Onshore-Windstrom entweder bei niedrigerer Risiko- und Gewinnbeteiligung oder bei einer hohen Gewinn- und Risikobeteiligung abnehmen, betont Statkraft-Sprecherin Judith Tranninger.
Doch der Fokus der PPA-Scouts in den Verkaufsabteilungen von Windparkprojektierern ist nun weiterhin aufs europäische Ausland gerichtet: Deutschlands größter Windparkprojektierer WPD hatte bereits 2006 seinen ersten Stromabnahmevertrag mit einem Großabnehmer für einen Windpark in Belgien abgeschlossen. Auch in Finnland, Schweden oder sogar Spanien habe WPD inzwischen PPA abgeschlossen, betont Sprecherin Sarah Cramer von Clausbruch. Das Bremer Unternehmen setzt auf internationale Bewegungen wie die der Klimaschutzinitiative Re 100. Hier hatten sich für die Pariser Welt-Klimaschutzverhandlungen 2015 Firmen zusammengeschlossen, um beispielhaft ihre komplette Energieversorgung auf erneuerbare Quellen umzustellen.
Dass sich PPA auch fürs Geschäft in der Breite eignen könnte, darauf setzt indes der Windparkprojektierer Vattenfall. Ende April meldeten die Schweden, ihr Stromkonzern stückele nun die Windernte ihrer schottischen South Kyle Windfarm mit 165 MW in Portionen von einem MW. Für diese will Vattenfall nun Stromlieferverträge mit Mittelständlern bei Laufzeiten von 10 bis 20 Jahren einführen.
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